Automatisierung des Handschreibens
Projektleitung
Dr. Eva Odersky
Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik der Ludwig-Maximilians-Universität München
Finanzierung
Eigenmittel
Laufzeit des Projekts
seit 2014
Informationen zum Projekt
Das Projekt ist im Kontext der writing fluency, der „Schreibflüssigkeit“ beim Texteverfassen, zu verorten, die zunächst international und inzwischen auch in Deutschland zunehmend Beachtung findet (z.B. Stephany et al. 2020; Odersky et al. 2021).
Kinder erlernen das Schreiben in der westlichen Welt ab Schulbeginn überwiegend mit einer unverbundenen Druckschrift. Daran schließt sich im Laufe der zweiten Klasse meist zusätzlich eine verbundene Ausgangsschrift an, die so genannte Schreibschrift, aus der bis Ende der 4. Jahrgangsstufe (und darüber hinaus) eine flüssige, individuelle Handschrift entwickelt werden soll (KMK 2015). Aus internationalen Studien ist bekannt, dass Schüler:innen etwa zu diesem Zeitpunkt oft zur Druckschrift zurückkehren und dass unabhängig von den in unterschiedlichen Ländern jeweils verwendeten Ausgangsschriften die Schreibschriften am wenigsten flüssig und am langsamsten geschrieben werden (Bara & Morin 2013; Graham et al. 1998). Für Deutschland lagen keine größeren Studien zu dieser handwriting fluency vor.
In einem explorativen Zugang wurde deswegen im ersten Projektabschnitt evaluiert, welche Schriften Kinder am Ende der 4. Jahrgangsstufe nutzen und inwieweit das Ziel der flüssigen, persönlichen Handschrift erreicht wird (Odersky 2018). Für die Bestimmung des Grads der Verbundenheit und der Weiterentwicklung der Schriften wurde ein siebenstufiges Kategoriensystem entwickelt; die Flüssigkeit der Schriften wurde produktorientiert (Messen der Schreibzeit) und prozessorientiert (digital mit CSWin) erhoben und analysiert, um kinematische Parameter zur validen Erfassung der Automatisierung zu generieren. Es zeigte sich, dass die Hälfte der beteiligten Schüler:innen (N=336, alle Kinder hatten zunächst eine unverbundene Druckschrift, dann eine verbundene Schreibschrift erlernt und keine spezifische Unterstützung zur Weiterentwicklung ihrer Schriften erhalten) am Ende der 4. Jahrgangsstufe eine verbundene Schrift nutzt, etwa ein Drittel unverbunden schreibt und ein Fünftel die Schrift zu einer teilverbundenen weiterentwickelt hat. Die internationalen Ergebnisse bestätigend und um prozessorientierte Daten zur Automatisierung erweiternd, schrieben in dieser Studie die Kinder, die eine verbundene Schrift nutzten, am langsamsten und am wenigsten automatisiert. Die besten Werte erreichten die Kinder, die ihre Schrift aus einer unverbundenen Druckschrift, zu der sie zwischenzeitlich zurückgekehrt waren, zu einer teilverbundenen weiterentwickelt hatten.
Im Kontext der zunehmenden Bedeutung, die den hierarchieniedrigen Transkriptionsprozessen für die hierarchiehöheren Translatingprozesse des Schreibens, und damit für die Textqualität, zugeschrieben wird (z.B. Sturm et al. 2017), lassen sich daraus wichtige Implikationen für den Schriftunterricht und die Auswahl von Schulschriften ableiten, die ins Gutachten der SWK zur Vermittlung basaler Kompetenzen und zur Sicherung von Bildungschancen Eingang gefunden haben (Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz 2022).
Die Analyse der Daten zum Einfluss unterschiedlicher internaler und externaler Faktoren soll nun weitergehende Einblicke in limitierende und begünstigende Bedingungen (nicht ausreichend) automatisierten Handschreibens ermöglichen und den Beitrag des Projekts zur Beschreibung der Transkriptionsflüssigkeit vertiefen. Auch hier bestätigt sich bislang, dass der Grad der Verbundenheit der Schrift und die Klassenzugehörigkeit besonders großen Einfluss haben, also die Rolle der Lehrkraft und ihres Schreibunterrichts, einschließlich der gelehrten Schriften, entscheidend ist.
Vorträge zum Projekt
- Odersky, E. & Stark, M. (2023, 21. Februar). The role of internal and external factors on handwriting fluency in Grade 4. Vortrag auf der Writing Research Across Borders (WRAB), Trondheim.
- Odersky, E. & Speck-Hamdan, A. (2022, 21. September). Qualitätsvoller Handschreibunterricht und seine Bedeutung für nachhaltige Bildung. Vortrag auf der 30. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe, Regensburg.
- Odersky, E. (2022, 4. April). Handschreiben und Schriften. Studienergebnisse und Implikationen für den Schreibunterricht. Vortrag auf der Landesfachkonferenz Deutsch, Hamburg.
- Odersky, E. (2019, 26. September). Mythen rund ums Handschreiben. Schrift(un)abhängige Variablen für die Automatisierung von Kinderschriften. Vortrag auf der 28. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe, Erfurt.
- Odersky, E. (2019, 26. Januar). Kommt es wirklich auf das Verbinden an? Aktuelle Studienergebnisse aus Deutschland. Vortrag (Keynote) auf der Fachtagung Unterwegs mit der Deutschschweizer Basisschrift – Impulse, Luzern.
- Odersky, E. (2018, 26. September). Evaluation der Handschriften und der Automatisierung des Handschreibens in der 4. Jahrgangsstufe. Vortrag auf der 27. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe, Frankfurt.
- Odersky, E. (2018, 22. Juni). Evaluation der Handschriften und der Automatisierung des Handschreibens in der 4. Jahrgangsstufe. Vortrag auf der Summerschool der didaktisch empirischen Schreibforschung (dieS), Regensburg.
- Odersky, E. & Speck-Hamdan, A. (2017, 27. September). „Beim Schreiben bleibt er unter seinem Nivea“ – Geschlechtsunterschiede beim Handschreiben. Vortrag auf der 26. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe, Koblenz-Landau.
- Odersky, E. (2016, 27. September). Die schreibmotorische Entwicklung im Grundschulalter und mögliche Zusammenhänge mit dem Rechtschreiben. Vortrag innerhalb eines Symposiums Schreiben auf der 25. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe, Bielefeld.
- Odersky, E. (2015, 4. März). Ergebnisse einer Studie zu den schreibmotorischen Fähigkeiten von Viertklässlern. Vortrag beim Fachgespräch Schrift und Schreiben der Ludwig-Maximilians-Universität, München.
- Odersky, E. (2014, 30. September). Evaluation des (Hand-)Schreibens und der Schulleistung am Ende der 4. Jahrgangsstufe. Vortrag innerhalb eines Symposiums Schriftspracherwerb auf der 25. Jahrestagung der DGfE-Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe, Leipzig.
- Odersky, E. (2014, 14. Februar). Zur Effektivität der Verbindungen in den Schriften von Viertklässlern. Vortrag auf der internationalen Fachtagung des Schreibmotorikinstituts (SMI), Erlangen.
Publikationen zum Projekt
- Odersky, E. & Speck-Hamdan, A. (2023, angenommen). Qualitätsvoller Handschreibunterricht und seine Bedeutung für nachhaltige Bildung. In Jahresband Grundschulforschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
- Odersky, E., Speck-Hamdan, A., Mahrhofer-Bernt, C. & Marquardt, C. (2021). Handschriften und Handschreiben in der Schule – Ein Forschungsbericht. Didaktik Deutsch, 26(51), 78–92.
- Odersky, E. (2021). Mythos Schreibschrift. Schrift(un)abhängige Faktoren der Automatisierung von Kinderschriften. In N. Böhme, B. Dreer, H. Hahn, S. Heinicke & G. Mannhaupt (Hrsg.). Mythen, Widersprüche und Gewissheiten der Grundschulforschung. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme nach 100 Jahren Grundschule (S. 157–163). Wiesbaden: Springer.
- Börjesson, K., Conrady, P., Geist, B., Hurschler, S., Mahrhofer-Bernt, C., Marquardt, C., Mesch, B., Nickel, S., Odersky, E., Reichardt, A., Ritter, M., Schulz, M. & Speck- Hamdan, A. (2021). Eckpunkte für den Handschreibunterricht. Eine Stellungnahme zur Ländervereinbarung der KMK vom 15.10.2020. Verfügbar unter: https://symposion-deutschdidaktik.de/wp-content/uploads/2021/03/sdd-symposion-deutschdidaktik-Eckpunkte-Handschreibunterricht_AG_SchriftSPRACHerwerb_2021-2.pdf
- Odersky, E. (2020). Handschriften und Automatisierung des Schreibens in der 4. Jahrgangsstufe. In N. Skorsetz, M. Bonanati & D. Kucharz (Hrsg.). Diversität und soziale Ungleichheit – Herausforderungen an die Integrationsleistung der Grundschule (S. 216–220). Wiesbaden: Springer.
- Odersky, E. & Speck-Hamdan, A. (2019). „Beim Schreiben bleibt er unter seinem Niveau“ – Geschlechtsunterschiede beim Handschreiben. In C. Donie, F. Foerster, M. Obermayr, A. Deckwerth, G. Kammermeyer, G. Lenske, M. Leuchter & A. Wildemann (Hrsg.). Grundschulpädagogik zwischen Wissenschaft und Transfer (S. 402–407). Wiesbaden: Springer.
- Odersky, E. (2019). Schriften weiterentwickeln. Von einer Ausgangsschrift zur flüssigen, persönlichen Handschrift. Deutsch Grundschulunterricht, 1, 14–18.
- Odersky, E. (2018). Handschrift und Automatisierung des Handschreibens. Eine Evaluation von Kinderschriften im 4. Schuljahr. Berlin: J.B. Metzler.
- Odersky, E. (2018). Flüssiges Schreiben = Verbundenes Schreiben? Zur Automatisierung der Schriften am Ende der Grundschulzeit. Die Grundschulzeitschrift, 308, 18–21.
- Odersky, E. & Speck-Hamdan, A. (2017). Sichtbare und unsichtbare Spuren beim Schreiben. Schrift beobachten, beurteilen und fördern. Grundschule Deutsch, 56, 42–43.
- Speck-Hamdan, A., Falmann, P., Heß, S., Odersky, E. & Rüb, A. (2016). Zur Bedeutung der graphomotorischen Prozesse beim Schreiben(lernen). In K. Liebers, B. Landwehr, S. Reinhold, S. Riegler & R. Schmidt (Hrsg.). Facetten grundschulpädagogischer und -didaktischer Forschung (S. 183–198). Wiesbaden: Springer.
Aus dem Projekt entstandenes Material für Kinder: Reihe „Meine Handschrift“, Carlsen-Verlag
- Odersky, E. (2021). Mein dicker Vorschulblock mit Motorik-Führerschein. Hamburg: Carlsen.
- Odersky, E. (2020). Das Schreib-Übungsbuch für alle Schulschriften. Schreibtraining von 8 – 11 Jahren. Hamburg: Carlsen.
- Odersky, E. (2020). Schreib-Training für alle Schulschriften. Kreative Schreibübungen von 8 – 11 Jahren. Hamburg: Carlsen.
- Odersky, E. (2020). Mein bunter Vorschulblock mit Schwungübungen. Hamburg: Carlsen.
Zitierte Literatur
- Bara, F. & Morin, M.-F. (2013). Does the handwriting style learned in first grade determine the style used in the fourth and fifth grades and influence handwriting speed and quality? A comparison between French and Québéc children. Psychology in the Schools, 50(6), 601–617.
- Graham, S., Weintraub, N. & Berninger, V. W. (1998). The relationship between handwriting style and speed and legibility. The Journal of Educational Research, 91(5), 290–297.
- Odersky, E. (2018). Handschrift und Automatisierung des Handschreibens. Eine Evaluation von Kinderschriften im 4. Schuljahr. Berlin: J.B. Metzler.
- Odersky, E., Speck-Hamdan, A., Mahrhofer-Bernt, C. & Marquardt, C. (2021). Handschriften und Handschreiben in der Schule – Ein Forschungsbericht. Didaktik Deutsch, 26(51), 78–92.
- Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) (2022). Basale Kompetenzen vermitteln – Bildungschancen sichern. Perspektiven für die Grundschule. Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK). Verfügbar unter: https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/KMK/SWK/2022/SWK-2022-Gutachten_Grundschule_Zusammenfassung.pdf
- Stephany, S., Lemke, V., Linnemann, M., Goltsev, E., Bulut, N., Claes, P., Roth, H.-J. & Becker-Mrotzek, M. (2020). Lese- und Schreibflüssigkeit diagnostizieren und fördern. In C. Titz, S. Weber, H. Wagner, A. Ropeter, S. Geyer & M. Hasselhorn (Hrsg.). Sprach- und Schriftsprachförderung wirksam gestalten: Innovative Konzepte und Forschungsimpulse (S. 156–181). Stuttgart: Kohlhammer.
- Sturm, A., Nänny, R. & Wyss, S. (2017). Entwicklung hierarchieniedriger Schreibprozesse. In M. Philipp (Hrsg.) Handbuch Schriftspracherwerb und weiterführendes Lesen und Schreiben (S. 84–104). Weinheim: Beltz Juventa.